von Joachim Lorenz, Karlstein a. Main
Typische kristalline Krusten des Weinsteins aus
der Weinherstellung im Fass (Hotel Krone Wasserlos),
links Bildbreite 8 cm, erhalten aus einem Weingut in
Wasserlos.
Rechts ein winziges Stückchen der Krusten unter dem
Rasterelektronen-Mikroskop (REM):
Die großen Kristalle bestehen aus Calcium-Tartrat,
die kleinen Blättchen dazwischen sind das
Kalium-Hydrogen-Tartrat, Bildbreite 1,5 mm,
REM-Foto von Stefan DILLER, Würzburg.
Cognacfarbene, durchsichtige
Weinstein-Kristalle am Korken,
Elbling von der Mosel, Jahrgang 2001,
Bildbreite ca. 6 cm, im Ausschnitt rechts 3 mm
Mineraliensuche in der Weinflasche:
Der Weintrinker kennt die typischen Kristalle auf der Unterseite
der Korken,
Bildbreite 2 cm, rechts im Detail 1,5 mm
Bei den Rotweinen sind die Kristalle des Weinsteins violett und
rot;
Bildbreite 2 cm, rechts im Detail 1,5 mm
Entstehung
Es handelt sich beim Weinstein um die Salze der Weinsäure. Die
Weinsäure ist eine organische Säure mit sehr komplexer chemischer
Zusammensetzung (2,3-Dihydroxibernsteinsäure, vier verschiedene
Formen durch Rechts- und Linksstrukturen, an denen der
französische Chemiker Louis Pasteur (1822 - 1895) die Ideen zur
modernen Vorstellung der räumlichen Struktur entwickelte). Diese
schmecken angenehm stark sauer. An der Luft verbrennen die
Weinsäurekristalle unter Entwicklung von Karamelgeruch. Zerreibt
man die Kristalle bei adaptiertem Auge in völliger Dunkelheit, so
ist ein Leuchten zu beobachten (Triboluminiszenz; bedeutet
Reibungsleuchten).
In den Zellen der Pflanzen ist je nach Art neben Wasser und
zahlreichen organischen und anorganischen Verbindungen auch die
Weinsäure enthalten. Bei der Gewinnung der flüssigen
Bestandteile aus den Früchten - in der Regel durch mechanisches
Pressen - gelangen diese in den Saft. Aufgrund der komplexen
Stoffgemische reagieren die Komponenten im Saft miteinander, so
dass es zur Bildung von Salzen kommen kann. Der Chemiker
bezeichnet diese Salze der Weinsäure als Tartrate - so wie man die
Salze der Kohlensäure als Carbonate kennt; das einfachste Beispiel
ist das Calciumcarbonat, der gewöhnliche Kalk.
Die Pflanzen erzeugen beim Stoffwechsel Weinsäure und die ist in
geringen Mengen in vielen Früchten, wie zum Beispiel in der
Weintraube, aber auch in der Stachelbeere, der Johannisbeere, in
vielen weiteren Obstsorten, aber auch in der Zuckerrübe, im
Löwenzahn oder in Lindenblüten enthalten. In unserer Region
dominieren die Kalium- und Calcium-Tartrate, zum Teil sind diese
auch Wasser-haltig, d. h. es ist im Kristallgitter Wasser fest
eingebaut. In der Regel handelt es sich beim Weinstein aus dem
Wein um die Salze:
Die Farbe der Kristalle ist bei Weißweinen farblos, bei Rotweinen rot, rötlich oder violett. Meist sind es gedrungene, oft nur wenige Millimeter große Kristalle; es kommen aber auch nadelige Formen vor. Der Weinstein ist für den Menschen nicht schädlich oder gar toxisch und verursacht keine geschmacklichen Beeinträchtigungen im Wein. Die Krusten in den Fässern sind meist hell- bis dunkelbraun und besitzen einen Aufbau, der an Kalksinterbildungen der Höhlen im Kalk erinnert. Aber es gibt auch große Krstalle, siehe bei den Abbildungen unten.
Und warum wachsen die Kristalle des Weinsteins (Tartrate)
bevorzugt am Korken?
Zur Bildung von Kristallen benötigt man einen Kristallkeim. Das
sehr glatte und völlig saubere Innere einer gläsernen Weinflasche
bietet keine guten Bedingungen für das regelmäßige Anlagern zu
einem Kristall (das Glas ist amorph), der raue und chemische
völlig anders zusammen gesetzte Kork dagegen schon. So ist die
raue Fläche des Korks der Keim ("Starter") für das
Kristallwachstum. In den Flaschen mit Schraubverschluss bilden
sich oft kleine Kristalle, die lose in der Flasche liegen und erst
wahrgenommen werden, wenn man die Flasche völlig leert und den
Bodensatz mustert.
Die kleinen, stark funkelnden Kristalle (engl. wine
diamonds, tartraic crystals, tartaric acid, cream of tartar,
wine stone) in den Flaschen oder an der Korken (wenn noch
einer in der Flasche ist; zunehmend sind des Schraubverschlüsse
oder Glasstopfen) regen zu interessanten Betrachtungen an.
Entgegen der üblichen Meinung scheint es so zu sein, dass der
Weinstein unabhängig vom Boden gebildet wird; vermutlich übt die
Pflanze bzw. die Rebsorte einen größeren Einfluss auf die Art und
Menge des Weinsteins aus.
Der Weinstein war übrigens bereits den Griechen und Römern
bekannt. Die chemische Darstellung des Weinsteins als
Kaliumbitartrat gelang erstmals 1769 dem schwedischen Chemiker
Carl Wilhelm SCHEELE (1742 - 1786; ihm zu Ehren wurde ein
Wolfram-Mineral als Scheelit benannt). Der Bergbaufachmann und
Arichitekt Franz Ludwig von CANCRIN
zählte den Weinstein zu den Mineralien (CANCRINUS 1773:75); dies
wird heute nicht mehr so gesehen, da es sich bei den Kristallen in
den Flaschen und Fässern nicht um eine natürliche Bildung handelt.
Silbrig-grauer Weinstein (Kalium-Hydrogen-Tartrat) aus stark
glänzenden Blättchen aus einem Rotwein (erinnert an Hämatit),
Bildbreite 2 cm
Ob das Terroir (Autorenkollektiv 2018) den Weistein bzw. seine
Bildung beeinflusst, konnte nicht sicher nachgewiesen werden.
EYRICH (2004/2006) konn durch seine Analysen mainfränkischer
Weinsteine und deren Böden eine geringe Abhängigkeit der
Weinsteinzusammensetzung von der Calcium- und Kaliumkonzentration
des Bodens aufzeigen. Dabei wurde belegt, dass die Kaliumgehalte
des Bodens mit ca. 3 % K2O keine großen Schwankungen
unterliegen, ganz im Gegenstatz zu den Calciumgehalten, die von
weniger als 1% bis auf über 20 % CaO schwanken können
(Buntsandstein versus Muschelkalk). Hier spielt dann die selektive
Aufnahme der Pflanze die entscheidende Rolle.
Der Weinstein kann auch bereits im Traubensaft (dann
"Traubenstein" genannt) ausfallen, also ohne Gärung - siehe unten.
Dies gilt auch für andere Säfte; hier werden diese Neuschöpfungen
nicht so beachtet wie beim Wein oder einfach mit Zucker
verwechselt.
Die Herkunft des Weines kann man unter besonderen Umständen
schmecken, was mit dem Begriff Terroir verbindet. Man könnte auch
sagen, dass man die Geologie im Weinglas betreibt, eine sehr
leichte und wenig anstrengende Sonderform dieser Wissenschaft*.
Welcher Weinstein ist das?
Untersucht man diese kristallinen Substanzen, so erhält man
mittels Röntgenbeugung ein Diagramm, das man hinsichtlich der
Substanzen auswerten kann. So kann man relativ einfach ermitteln,
welche Salze am Aufbau der Krusten beteiligt oder welcher Natur
die Kristalle sind. Die Auswertung eines solchen Beugungsmusters
erfolgt in der Regel mit einem PC und einer Datenbank, in der alle
kristallinen Substanzen verzeichnet sind. Damit lassen sich dann
auch mehrere, ganz unterschiedliche Phasen in einer sehr kleinen
Probenmenge sicher bestimmen.
Beugungsmuster eines Weinsteins (Probe 000/270)
Doch wenn mehrere Arten Weinstein als Stoffgemisch in den
Krusten vorliegen, dann weiß man nicht welche Kristalle wie zu
benamen sind. Hier hilft das Rasterelektronenmikroskop mit einem
Nachweisverfahren (EDX) weiter. Dabei kann man die schweren
Elemente am Aufbau selbst kleinster Kristalle ermitteln und so die
Ergebnisse aus der Röntgenbeugung präzisieren.
![]() Aber Weinstein (Kaliumhydrogentartrat) kann auch ohne Weinzubereitung aus dem Traubensaft roter Trauben ausfallen ("Traubenstein"). Die schuppigen Krusten stammen aus Trauben, die 2011 in Schöllkrippen wuchsen, Bildbreite 2 cm. |
![]() Hellgelbe, tafelige und mit ca. 1,5 cm extrem große Weinsteinkristalle in einer Weinflasche des Granatiums in Radentheim in Kärnten (Österreich). Gesehen in einer Sammlervitrine zwischen Granat (wohl Almandin) auf den Münchner Mineralientagen (Munich Show) im Halle A5 am 27.10.2012. |
![]() Zwei verschiedene Weinstein-Kristalle auf einem Korken eines Prosecco Veneto 2011. Die kleinen, farblosen Kristalle bestehen aus dem Calcium-Tartrat, die großen Kristalle sind aus einem Kalium-Tartrat, Bildbreite 2 cm. |
![]() Nach dem Genuss eines 2006er Herxheimer Himmelreich Riesling Auslese von G. PETRI fand sich am Flaschenboden ein weißer Weinstein in Blumenkohlform mit farblosen, säuligen Kristallen (im Bild nicht zu erkennen), Bildbreite 2 cm |
![]() Bemerkenswerte Platte aus einem Weinstein mit großen Kristallen aus einem Holzfass der ehemaligen Weinkellerei Häfelin in Neustadt, entdeckt um 1970, gesehen in der Naturschatzwand des Pfalzmuseum für Naturkunde - POLLICHIA-Museum in Bad Dürkheim am 20.03.2014 Bildbreite ca. 15 cm |
![]() Traubenstein (Weinstein) aus Fässern der Gemeinde Tramin an der Weinstraße in Südtirol, Bildbreite links 7 cm. |
![]() Traubenstein (Weinstein) aus Fässern der Gemeinde Tramin an der Weinstraße in Südtirol, Bildbreite 15 cm. |
![]() Weinstein aus einem Rotwein "Domina" des Weinguts Gerhard STÜHLER aus Schöllkrippen, Bildbreite 3 cm |
![]() Ca. 40 x 20 cm große und mit etwa 1 cm relativ dünne Platte aus Weinstein als Ablagerung aus einem Weinfass, ausgestellt im Heimatmuseum im Klingenberg a. Main, aufgenommen am 11.10.2014 |
![]() Tetragonale, funkelnd-farblose Weinstein-Kristalle ("Wein-Diamanten") aus einem kleinen Bocksbeutel eines "Spessart-Schoppen" vom Weinhandel Bender in Mömbris, Bildbreite 2 cm. |
![]() Blättchenförmige Weinstein-Kristalle aus einem 2012er Thüngersheimer Scharlachberg vom Weingut Schwab. Es ist der Rest im Weinglas eines schönen Abends in der Weinhaus Mehling in Lohr am 15.04.2016 Bildbreite 2 cm |
![]() Große isolierte Kristalle aus Weinstein, zur Verfügung gestellt vom Weingut Simon in Wasserlos, Bildbreite 5 cm |
Große Weinstein-Platte aus einem Holzfass. Die hier gezeigte Rückseite bildet die Struktur des angelösten Holzes der Bretter des Fassbodes oder -deckels ab. Das Stück stammt aus der ehemaligen Mineraliensammlung von Reinhold FRANZ (*22.04.1931 †24.01.2017) aus Obernau, Bildbreite 17 cm |
![]() Bruchfläche eines Weinsteins aus einem Gefäß, welches zunächst für Weißwein und zum Schluss für Rot- oder Roséwein benutzt wurde. Das Stück stammt aus einer Mineraliensammlung in Kahl am Main, Bildbreite 4 cm |
![]() Da kann man schon an Wein-"Diamanten" denken. Weinstein eines 1996er Klingenberger Schlossberg Portugieser in zwei unterschiedlichen Kristallen, Bildbreite 2 mm Der Weinstein stammt vom Mineraliensammler Werner STROBEL (*09.03.1946 †22.03.2021) aus Wörth |
![]() Roter Weinsteine eines 2003er Klingenberger Schlossberg Kreation in Rot. Bildbreite 3 mm |
![]() Nadeliger Weinstein als sternförmige Kristallaggregate von einem 2003er Wein aus Obernburg, Bildbreite 3 mm |
![]() Kleine Weinstein-Kristalle mit gleichsinniger Orientierung aus einer Flasche Bürgstadter Centgrafenberg Burgunder, Bildbreite 3 mm |
![]() Weinstein-Kristall an einem größeren Kristall, lose aus einer Flasche Rotkäppchen-Sekt um 1999, aus der Sammlung von Peter GROH(†), Beerfelden, Bildbreite 3 mm |
![]() "Oktaedrischer" Weinstein-Kristall auf einem Korken gewachsen, aus einem pfälzischen Blauen Spätburgunder von 1995, aus der Sammlung von Peter GROH(†), Beerfelden, Bildbreite 6 mm |
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