aus der Zeit, als man mit Tinte und Federn schrieb und es
kein Löschpapier gab.
von Joachim Lorenz, Karlstein a. Main
Schreibset aus Steingut aus dem 19. Jahrhundert. Links das
Tintenfass (mit modernen
Schreibgeräten), in der Mitte die Löcher für die Federn und
rechts bzw. davor liegend
die Streusandbüchse, einst mit Löschsand gefüllt. Slg. P.
SCHNERCH, Aschaffenburg,
Bildbreite etwa 25 cm
Streusand*, Löschsand**, Schreibsand!
Alte Briefe können eine Besonderheit aufweisen. In den
breiten und dunklen Teilen der Schrift aus Tinte sind unter dem
Mikroskop bis zu 0,2 mm große Sandkörnchen zu erkennen. Dieser
feine Sand besteht aus gut gerundeten Quarz-Körnchen und kleine
Blättchen aus Muskovit, so dass man als Liefergebiete des Sandes
ein Kristallingebiet erschließen kann (oder auch aus dem
Buntsandstein, denn der führt neben Quarz auch Glimmerblättchen
wie z. B. Muskovit). Diese Bestandteile der Schrift stammen vom
Löschsand (auch als Streusand oder Schreibsand bezeichnet), den
Leonhard verwandte, um die überschüssige
Tinte zu binden; damals gab es noch kein Löschpapier. Das ist
sicher
ein wenig beachteter Echtheitsbeweis, denn so was verwendet
heute niemand
mehr.
Sandfass eines Schreibsets aus weißem Porzellan, oben glasiert
und ohne Möglichkeit des Zerlegens, d. h. der Löschsand musste
über die Löcher auf der Oberseite eingefüllt werden.
Vermutlich frühes 19. Jahrhundert,
Bildbreite 8 cm
Ein Schreibzeug aus der Zeit beinhaltete neben dem
Tintenfass auch noch eine Streusandbüchse (Sandfass). Diese
kleinen Gefäße bestanden aus Holz, Porzellan oder Metall mit
einem Sieb (ähnlich einem heutigen Salzstreuer), aus der
Streusand aufgetragen wurden.
Der überschüssige Streusand wurde dann beim Falten wieder
erfasst und zurück in das Gefäß gebracht. Der in der
Tinte fixierte Sand war verloren und ging mit auf die Reise.
Löschsand, mit Tinte fixiert, auf einem Brief vom Heidelberger
Mineralogen Karl Caesar Ritter von
LEONHARD aus dem Jahr 1840 an Johann Friedrich
Heinrich SCHLOSSER (*1780 †1851, war Privatgelehrter, hatte das
Stift am Neckar bei Heidelberg im Zuge der Säkularisation 1825
gekauft und zu einem
Treffpunkt für Literaten, Musiker und Kunstfreunde ausgebaut) auf
Stift Neuburg bei Heidelberg. In dem Ausschnitt (unten) sind die
bis zu 0,2 mm großen
Sandkörnchen auf dem Papier mit der Tinte gut erkennbar.
Bildbreiten (oben links) 12 cm, (oben rechts) 2 cm und (unten) 7
mm.
Der obige Brief stammt aus einer Zeit, in der es im Raum
Heidelberg noch keine Briefmarken gab, sondern der Empänger
musste das Porto bei der Übergabe bezahlen. Briefe wurden
versiegelt und bestanden in der Regel aus einem Papierbogen, der
so gefaltet wurde, so dass die Adresse
außen und der Inhalt für den Überbringer nicht sichtbar innen
stand.
Wie in anderen Technologien auch, waren die Römer der Zeit weit voraus. Sie schrieben mit der Feder (Vogelfeder), aber auch mit Federn aus Bronze, wie man von Funden am Limes weiß. So bildet GRAICHEN (2009:27) eine Schreibfeder aus Bronze neben einem kunstvoll verzierten Tintenfass ab, die denen des 19. Jahrhunderts sehr ähnlich sind. Der Fund stammt aus dem vicus in Koblenz. Und man schrieb mit Tinte auf Holztäfelchen, die aber nur ganz selten erhalten geblieben sind, wie z. B. in Vindolanda am Hadrianswall in Schottland (GRAICHEN 2009:61ff).
Wohl das ganze Mittelalter schrieb mit Vogelfedern (die mit
einem scharfen Federmesser nachgeschnitten werden mussten), bis
in der Mitte des 18. Jahrhundert in Aachen die Schreibfeder aus
(Feder-)Stahl wieder erfand. Aber erst ab der Mitte den 19.
Jahrhunderts wurde mit der Massenproduktion von Schreibfedern
aus Stahl in England dieVogelfeder verbreitet abgelöst.
Dann wurde diese vom Füllfederhalter verrängt und in den
1970er Jahren wurden diese mit Tintenpatronen ausgerüstet. Aber
dies
war immer mit dem ungewollten Ausfluss von Tinte begleitet. Der
immer scheibende
und auslaufsichere Kugelschreiber verdrängte ab den 1980er
Jahren
die Tinte. Hochwertige Schreibgeräte (z. B. Füllfederhalter
deren Feder an Spitze aus dem sehr harten Platinmetall Iridium
bestehen) mit
Tinte werden nur noch ausnahmweise verwandt.
Über eine Gewinnung von Streusand im Spessart schreibt bereits
der bekannte Forstmann Stephan BEHLEN (BEHLEN 1823a:28):
[Magneteisenstein, Magnetit Fe3O4] "... in den Schluchten der Gebirge [er meint damit den Spessart] und zwar in solcher Menge sammelt, daß nach starkem Regen oder nach dem Schmelzen des Schnees dieselbe ganz schwarz erscheinen, und von armen Leuten gesammelt, rein gewaschen, und als Streusand verkauft wird."
Hinweis:
Das geht heute nicht mehr, da nahezu aller Boden im kristallinen Vorspessart (nur hier gibt es nennenswerte Mengen von Eisenoxiden wie Hämatit und Magnetit) von Pflanzen bewachsen ist; nicht begrünte Flächen gelten als "unnatürlich". Die Wege und Straßen sind mit fremdem Material befestigt oder gar asphaltiert und die Rinnsale, Bäche und Abflussmöglichkeiten für Regenwasser an den Wegen und Straßen erosionsmindernd ausgeführt. Aber zu Zeiten von BEHLEN war der Spessart viel weniger bewaldet und selbst dort wurde das Laub zusammen gefegt und als Einstreu verwandt, so dass es große, vegetationslose Flächen gab, von denen Feinmaterial beim Regen abgespült werden konnte. In der Fläche waren alle landwirtschaftlich bearbeitbaren Flächen in Nutzung, so dass es auch hier im Winter zu Abspülungen kam, die man dann wie oben beschrieben nutzte.
Der Streusand aus Eisenoxiden ist schwarz, so dass die
Körnchen in der Tinte nicht auffallen, auch wenn sie nur wenig
von der Tinte benetzt wurden. Deshalb eigenen sich dunkle Sande
besser als helle Sande.
So muss man sich den BEHLEN´schen Streusand
(Magnetit-Sand) vorstellen: Gewaschener und noch nicht
gesiebter
Schwermineralsand, überwiegend aus Magnetit, aber auch aus
Hämatit und Ilmenit, dazu noch einige Zirkone, bestehend
(als Schwersand aus den Mainsedimenten),
Bildbreite 6 cm, im Detail 3,3 mm.
Solcher Löschsand aus Eisenoxiden wie Magnetit wurde auch
bis ins späte 19. Jahrhundert als Nebenprodukt beim Goldwaschen
am Rhein mit gewonnen und verkauft. Dies brachte den
Goldwäschern eine erhebliche Nebeneinnahme ein (LEPPER 1980:45).
Auch aus Kleinostheim ist bekannt, dass man dort Streu- und
Scheuersand gewann und diesen bis nach dem 2. Weltkrieg auf dem
Markt in Aschaffenburg verkaufte (LORENZ 2010:536f, 688f). Dabei
erfolgte die Sandgewinnung aus einer kleinen Scholle des Unteren
Buntsandsteins, die an der Spessartrandverwerfung versenkt und
zwischen dem Klüften alteriert, und nicht erodiert wurde. Dabei
ist der Feldspat-Anteil im Sandstein zum weißen Tonmineral
Kaolinit umgesetzt worden, so dass der Sandstein rein weiß
erscheint und keine große Festigkeit mehr aufweist. So kann man
ihn leicht zu einem weißen Sand zerreiben. Solche weißen
Sandsteine sind im Spessart stellenweise vorhanden und abgebaut
worden in Waldaschaff,
Eichenberg, ... In den anderen Vorkommen ist die Ursache der
Zersetzung
im feucht-warmen Klima des Tertiärs zu suchen.
Hier in Kleinostheim ist wahrscheinlich eine hydrothermale
Veränderung wahrscheinlich, da ja dieses Vorkommen Teil der N-S
verlaufenden Spessartrandverwerfung ist. Über diese Spalten
konnten Wässer in den Sandstein eindringen und die Feldspäte in
Tonmineralien zersetzen und das einst färbende Eisen abführen,
was sowohl den Festigkeitsverlust als auch die weiße Farbe
verursachte.
Tonreicher Reibsand, der auch als Streu- und Löschsand
verwendet
werden konnte, aus dem Vorkommen in Kleinostheim, getrocknet
und gesiebt,
Bildbreite 8 cm
Durch den über lange Zeit fort gesetzten Abbau in
Kleinostheim entstand eine steinbruchähnliche Grube (im lokalen
Volksmund "Reibsandkaute"), die heute mit Wald bestanden ist und
so kaum auffällt. Infolge
der geringen Beständigkeit sind keine Felsen zu sehen. Der
Kulturweg "Kleinostheim 10 Jahre länger leben" erinnert mit
einer kleinen
Tafel an das Vorkommen nahe des Schluchthofes nördlich von
Kleinostheim am Eingang zur Rückersbacher Schlucht.
Das Wort "Reibsand" meint den Sand, den man zum Reinigen der
hölzernen Dielenfußböden verwandte. Dabei scheuerte man
einerseits unerwünsche Farben am Boden durch die Quarzkörner
weg, andererseits wurde in
das aufgerauhte Holz der weiße Ton gerieben, so dass die Dielen
dann "sauber" aussahen. Der überschüssige Sand wurde abgekehrt
und kam auf den Abfall (in der Regel der Misthaufen) vor dem
Haus.
Reibsandkaute bei Kleinostheim: Unter einer Wurzel steht der
Sandstein an. Infolge der schlechten Lichtverhältnisse erscheint
der Sandstein
nicht weiß,
aufgenommen am 01.04.2006
Stück weißer, bröseliger Sandstein mit etwas
braunen Eisenhydroxiden auf einer Kluft aus dem Vorkommen, der
nach
dem Zermahlen
zum Reib-, Streu- und Löschsand verarbeitet wurde,
Bilbreite 13 cm
Blick von Osten nach Westen in den Abbau der einstigen
Reibsandkaute von Kleinostheim im Winter, da im Sommer mit der
Belaubung der Bäume kaum etwas zu sehen ist,
Panoramafoto aufgenommen am 27.01.2019
Gebleichter und verwitterter Sandstein als Teil eines
Wurzeltellers eines umge-
fallenen Baums. Der hier zu gewinnende feinkörnig, weiße (weil
tonreiche)
Sand eignet sich hervorragend als Streu- oder Löschsand. Er kann
von
Hand zu einem weißen Pulver zerdrückt werden,
aufgenommen am 27.01.2019
* Mit Streusand könnte man auch noch einen Sand meinen, der
bei
Schnee und Eis als abstumpfendes Mittel auf Gewege und Straßen
aufgetragen
wird. Dieser wurde inzwischen vom Tausalz aus Kochsalz (NaCl)
weitgehend
abgelöst, da man Sand wieder aufkehren muss oder den Sand in der
Kanalisation wieder findet.
** Es gibt noch einen Löschsand, den man mit dem Löschen von
Feuer in Verbindung bringen kann, denn manche Brände lassen sich
nicht mit Wasser löschen. So z. B. Metalle wie Magnesium, die
man auch mit einer größeren Menge (Quarz-)Sand löschen kann.
Oder die Brandbomben in den deutschen Städten mit Phosphor,
Elektron und Thermit wärend des 2. Weltkrieges.
Aber auch der sehr feine (Quarz-)Sand in den Schmelzsicherungen
aus weißer Keramik der elektrischen Stromkreise dient zum
Löschen den Lichtbogens bei einem Durchbrennen (auch als
"Herausfliegen" bezeichnet).
Quellen:
BEHLEN, S. (1823a): Der Spessart. Versuch einer Topographie
dieser Waldgegend, mit besonderer Rücksicht auf Gebirgs-,
Forst-, Erd- und Volkskunde.- Erster Band, 274 S., ohne Abb., 1
großformatige, ausklappbare Tab., [F. A. Brockhaus] Leipzig.
BEHLEN, S. (1823b): Der Spessart. Versuch einer Topographie
dieser Waldgegend, mit besonderer Rücksicht auf Gebirgs-,
Forst-, Erd- und Volkskunde.- Zweiter Band, 192 S., ohne Abb.,
[F. A. Brockhaus]
Leipzig.
GRAICHEN, G. (2009): Limes. Roms Grenzwall gegen die Barbaren.-
351 S., zahlreiche farb. Abb., [Scherz S. Fischer Verlag GmbH]
Frankfurt
a. Main.
LEPPER, K. (1980): Die Golwäscherei am Rhein. Gechichte und
Technik. Münzen und Medaillenaus Rheingold.- Sonderband 3
Reihe dr Geschichtsblätter für den Kreis Bergstraße der
Arbeitsgemeinschaft der geschichts- und Heimatvereine im Kreis
Bergstraße, 205 S., einige SW-Abb., [Buchdruckerei Otto KG]
Heppenheim.
LORENZ, J. (2019): Steine um und unter Karlstein. Bemerkenswerte
Gesteine, Mineralien und Erze.- S. 16, 4 Abb..- in Karlsteiner
Geschichtsblätter Ausgabe 12, 64 S., Hrsg. vom
Geschichtsverein Karlstein [MKB-Druck GmbH] Karlstein.
LORENZ, J. mit Beiträgen von M. OKRUSCH, G. GEYER, J. JUNG,
G. HIMMELSBACH & C. DIETL (2010): Spessartsteine.
Spessartin, Spessartit und Buntsandstein – eine umfassende
Geologie und Mineralogie des Spessarts. Geographische,
geologische, petrographische, mineralogische und
bergbaukundliche Einsichten in ein deutsches Mittelgebirge.- IV
+ 912 S., 2.532 meist farbigen Abb., 134 Tab. und 38 Karten
(davon 1 auf einer ausklappbaren Doppelseite), [Helga Lorenz
Verlag] Karlstein.
MILKE, R. (2012): Geomaterials in the manuscript
archive: the composition of writing sands and the regional
distribution of writings-sand in SW-Germany and northern
Switzerland, 14th to 19th century.- European Journal of
Mineralogy Vol. 24, Number 4 - July, August 2012,
p. 759 - 770, 4 figs., 3 tab., [E. Schweizerbart´sche
Verlagsbuchhandlung] Stuttgart.
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